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DEBORAH -
EVENTMANAGERIN
IM GESPRÄCH
Wie bist du zur Veranstaltungsbranche gekommen?„Ein bisschen über Umwege. Bevor ich mein jetziges Studium zum Eventmanagement gemacht habe, habe ich Architektur studiert. Irgendwann war ich allerdings etwas am Zweifeln, ob es das Richtige ist und überlegte dann, was ich mir persönlich als Alternative vorstellen könnte. Damals in der Schule war ich an der Organisation meines Abi-Balls beteiligt und in der Zeit in der ich überlegte das Studium zu wechseln, habe ich auch ein paar private Partys geplant und organisiert. Mir kam der Gedanke, dass mich vielleicht diese Richtung interessiert, da mir das wirklich großen Spaß gemacht hat. Daraufhin habe ich ein Praktikum bei einer Full-Service Agentur begonnen. Das gefiel mir gut und ich entschied mich in diese Richtung zu gehen. Für mich stand aber von Anfang an fest, dass ich nicht nur theoretisch etwas lernen, sondern auch nebenbei arbeiten möchte. Dadurch bin ich zum dualen Studium für Eventmanagement gekommen und so dann auch in die Veranstaltungsbranche.“ Was begeistert dich an deinem Job?„An meinem Job begeistert mich vor allen Dingen die Vielfältigkeit. Eigentlich ist jede Veranstaltung, jedes Event immer ein bisschen anders. Selbst wenn man Tagungen durchführt, wie bei meinem aktuellen Arbeitgeber. Auch wenn sich diese in der Struktur sehr ähnlich sind, ist es trotzdem jedes Mal etwas anderes. Es tauchen auch mal Schwierigkeiten auf, die es zu bewältigen gilt und man kann immer wieder seine eigenen, neuen Ideen einbringen und hier und da etwas verändern. Der Kreativität ist viel Freiraum gelassen. Total interessant an der Branche finde ich auch noch, dass man mit unfassbar vielen unterschiedlichen Menschen in Kontakt kommt. Auch nicht immer mit Leuten die man gern haben muss - *lacht* -, aber es ist einfach sehr interessant!“ Hast du das Gefühl, dass deine Arbeit respektiert und von der Gesellschaft „gesehen“ wird?„Schwierig! Ich würde sagen „jein“. Denn einerseits ist das schon so. Zum Beispiel glaube ich, dass vor allem von der jüngeren Generation speziell Festivals auf jeden Fall gesehen und geschätzt werden und um da so ein Wochenende lang richtig zu feiern, hier auch die Bereitschaft besteht, dafür viel Geld auszugeben. Das größte Problem ist eigentlich das tägliche Veranstaltungsgeschäft. Besonders die Partys am Wochenende und speziell auch der kulturelle Betrieb. Einerseits kommt hier, meiner Meinung nach, nicht genug Förderung von der Politik. Andererseits denke ich aber auch, dass da irgendwie ein Fehler bei uns in der Gesellschaft liegt. Die Leute sind teilweise nicht dazu bereit, das zu zahlen, was das Produkt oder in diesem Fall die „Dienstleistung“ wert ist. Das kennt ja wahrscheinlich jeder, wenn man am Wochenende abends weg geht und dann kostet der Eintritt in den Club zehn Euro und das kommt einem in dem Moment viel vor. In einen anderen Club würde man vielleicht für fünf Euro reinkommen Allerdings muss man sich hierbei vorstellen, dass an dem Abend zwei oder drei DJs spielen die bezahlt werden müssen, sowie Personal- und weitere Fixkosten abgedeckt werden müssen und so weiter und so fort. Und im Durchschnitt würde ich sagen, trinkt ein Gast für 10-15 Euro etwas. Das ist nicht viel. Davon kann man kaum sein Personal halten. Daher glaube ich, dass bei den Nutzern dieser Angebote oft eine Art kleiner „Denkfehler“ besteht und hier keine Sensibilität für die Kosten die einem Veranstalter entstehen, existiert. Jeder Veranstalter hat zu den Kosten des Einkaufs, der Gagen und Personalkosten auch noch viele weitere Kosten, wie zum Beispiel Instandhaltungskosten oder GEMA-Gebühren. Wenn die Ticket- und Getränkepreise bei der Veranstaltung die einzigen Einnahmequellen sind, ist es manchmal gar nicht anders machbar als sie an die Ausgaben anzupassen.“ Inwieweit bist du, beziehungsweise deine Arbeit, durch Corona beeinträchtigt? Was sind entstandene Konsequenzen?„Ich bin in Kurzarbeit und dadurch natürlich persönlich beeinträchtigt. Da ich selbst noch ein paar Wochen in der Ausbildung bin und wir einen bestimmten Prozentsatz des Kurzarbeitergeldes bekommen müssen, merke ich es finanziell gerade nicht so stark wie andere. Für mich ist es daher vom finanziellen Rahmen „in Ordnung“. Auf der Arbeit gibt es nicht wirklich etwas zu tun und nach einer Weile kommt natürlich auch die Frustration, dass man nichts arbeiten und planen kann. Auch im privaten Leben möchte man ja mal gerne wieder weggehen und bemerkt was einem fehlt. Durch diese Dinge bin ich auf jeden Fall beeinträchtigt. Aber meinem Onkel zum Beispiel, er ist Toningenieur und hatte seit März zwei Aufträge, geht es gerade viel schlechter und er ist natürlich deutlich stärker beeinträchtigt als ich es glücklicherweise bin.“ Du hast zwar eben schon kurz etwas dazu gesagt, aber die nächste Frage wäre: Fühlst du dich vom Staat beziehungsweise der Politik ausreichend unterstützt?„Wie ich vorhin schon kurz erwähnt habe, fehlt glaube ich manchmal generell ein bisschen die kulturelle Unterstützung. Kulturförderung ist ja auch nicht in jeder Stadt und jedem Bundesland gleich, dass wird ja immer individuell entschieden. Da gibt es mit Sicherheit Städte die das sehr gut handhaben und genug fördern, aber eben auch welche die deutlich mehr machen könnten. Genaue Zahlen wie viel Geld tatsächlich investiert wird habe ich gerade keine im Kopf. Aber das was ich bis jetzt gehört habe, ist einfach nur ein Unding. Natürlich ist die Event-, Veranstaltungs- und Kulturbranche nicht überlebenswichtig so wie die Gesundheitsbranche es ist. Das ist mir bewusst! Aber eine Lufthansa ist für mich auch nicht überlebenswichtig und dieses Unternehmen hat glaube ich circa neun mal so viel bekommen wie die Kultur- und Kreativbranche. Ich sehe zwar, dass da vielleicht wirtschaftlich mehr dran hängt und es deswegen an irgendeiner Stelle mehr gefördert werden muss und es für die gesamtwirtschaftliche Lage wichtiger ist. Aber ich denke auch, dass besonders diese psychische Gesundheit die darunter leidet, dass die Menschen nicht mehr so viel aus dem Haus und nicht mehr so viel unternehmen dürfen, problematisch werden könnte. Auch deswegen finde ich es nicht gut, dass es so wenig Förderung gibt.“ Was denkst du wird die Pandemie, auch langfristig, für Auswirkungen auf unsere Branche haben?„Zum einen werden definitiv viele Agenturen, Clubs und so weiter, pleite gehen. Es werden sich viele einfach nicht halten können und auflösen. Das ist schlimm! Aber ich glaube auch, dass es ganz schön etwas mit sich bringen kann. Einerseits ist man vielleicht jetzt auf so eine Krisensituation vorbereitet oder man kann sich darauf zukünftig besser vorbereiten wenn man es einmal miterlebt hat. Weiterhin denke ich, dass sich da in Form der Digitalisierung unheimlich viel tun wird. Liveübertragung, Streaming, virtuelle Events und so weiter. Ich glaube nicht, dass es das live Event ersetzen wird. Das kann es einfach nicht, weil es ein ganz anderes Gefühl ist wenn ich live bei einem Konzert bin. Aber ich denke schon, dass das quasi der „positive Effekt“ der Pandemie sein kann.“ Welche Perspektive siehst du für dich, vor allem in Bezug auf die Pandemie, nach dem dualen Studium, mit dem du jetzt fertig bist?„Auf lange Sicht gesehen, ist grundsätzlich mein Plan in der Veranstaltungsbranche zu bleiben und mich dort am Liebsten selbständig zu machen. Durch Corona wird das jetzt gerade alles ein bisschen schwierig, weil ich davor auch eigentlich noch ein bisschen arbeiten gehen möchte um Erfahrungen zu sammeln. Jetzt nach der Ausbildung, in der Zeit der Pandemie, ist es gerade tatsächlich nicht einfach mit der Jobsuche. Die aktuelle Situation beeinflusst dann natürlich auch langfristig später einmal Fragen wie: „Wann macht man sich selbständig?“, „Wie macht man sich selbständig?“, „Wo macht man das?“. Ob das alles klappt, hängt natürlich auch davon ab, wie sich das jetzt so entwickelt. Es ist gerade sehr schwierig. Weil das einfach Job-mäßig aktuell nicht gut aussieht und ich nicht weiß, was ich ab Oktober mache.“ Was müsste sich deiner Meinung nach ändern, damit die Branche mehr in den Fokus rückt?„Zum einen müsste tatsächlich ein bisschen am Marketing gearbeitet werden, wenn man das so sagen kann. Denn ich habe schon häufiger erst im Nachhinein von Veranstaltungen erfahren, von denen ich davor überhaupt nichts gehört habe. Von der Stadt zum Beispiel. Da habe ich mir immer gedacht: „Was für eine coole Idee und auch ein coole Umsetzung!“, es aber immer erst ein paar Tage nachdem es stattgefunden hat mitbekommen. Lag auch vielleicht an mir, obwohl ich schon sehr in der Szene drin bin. Aber da kann man mit Sicherheit auch noch etwas mehr machen. Was natürlich auch damit zusammenhängt wie stark es unterstützt wird. Marketing ist etwas wo man einsparen kann, wenn einem andere Dinge wichtiger erscheinen. Bei einer andere Frage habe ich es schon gesagt. Damit die Branche ein bisschen mehr in den Fokus rückt, ist einfach wirklich das Verständnis der Leute wichtig. Sie müssen dazu bereit sein, das zu zahlen was es kostet, um das zu bekommen was sie wollen. Die Leute wollen die Dienstleistung oder das Produkt, sind aber nicht bereit das zu zahlen was sie eigentlich dafür zahlen müssen und ich glaube das ist eins der größten Probleme. Wenn ein bisschen das Bewusstsein dafür geschaffen werden würde, dass man zum Beispiel innerhalb eines Monates einmal weniger Essen geht, dafür eine Veranstaltung besucht und dazu bereit ist, das zu zahlen was erforderlich wäre, dann wäre es schon etwas ganz anderes.“ „Auf jeden Fall, das stimmt! An der Stelle sollte mehr Wertschätzung da sein wenn ich als Nutzer eben, wie du schon gesagt hast, mehr ausgeben muss. Wenn ich in einem Restaurant bin und weiß hier ist die Küche und die Qualität sehr gut und hochwertig, dann ist mir auch bewusst, dass es teurer ist und ich akzeptiere das dann ja ein Stück weit auch.“ „Ja genau! Wir hatten das Thema an der Uni auch mit einem Beispiel. Es ging um die Situation wenn man in einem Stadion bei einem Spiel ist und sich eine Wurst kauft. Diese kostet 4 Euro oder so und man denkt sich dann vielleicht: „So ein Paket mit 5 Würstchen kostet beim Einkaufen circa 2 Euro. Das kann doch nicht sein, dass ich für eine jetzt 4 Euro zahlen muss!“. Dann haben wir das durchgerechnet. Was kostet einen die Wurst im Einkauf, was brauche ich da für Gerätschaften, diese müssen Instand gehalten werden, dann habe ich Personalkosten, die Wurst muss zubereitet werden. Am Ende kam raus, man war schon ohne Gewinn, nur durch die genannten Fixkosten, so bei 2,80 Euro. Ohne Gewinn! Als wir das so durchgerechnet haben, ist mir persönlich das erste Mal so richtig bewusst geworden, dass man als Verbraucher an diese ganzen Kosten die da noch hintendran sind, nicht unbedingt denkt wenn man nicht selbst in der Branche tätig ist. Seit ich selbst in der Branche bin, bin ich viel eher dazu bereit für ein Konzert etc. die jeweiligen Preise zu zahlen als früher. Da ging mir das ähnlich.“ „Man vergisst dann auch manchmal, dass in den meisten Fällen die Veranstalter, die Locations, ja auch nicht einen Haufen Geld als Gewinn einstecken. Beim Ticketverkauf wird ja in der Regel nicht noch massiv etwas obendrauf geschlagen. Es geht darum die Kosten zu decken und ein bisschen Gewinn zu machen. Manchmal geht es sogar darum einfach bei „Null“ rauszukommen.“ „Ganz genau! Es geht darum, den Leuten etwas zu bieten. Und die wissen das ja manchmal auch gar nicht, dass wir die Veranstaltung sozusagen nur für sie machen und nicht für den eigenen Gewinn.“ „Wenn die Kultur nicht, zum Beispiel von der Stadt, mit Geldern unterstützt wird, lohnt es sich ja ganz oft finanziell nicht! Da geht es dann ja gar nicht darum. Es geht nur darum, diesen „Bildungsauftrag“ weiter zu vermitteln und für die Mitmenschen, wie du schon gesagt hast, ein vielfältiges, kulturelles Angebot zu erstellen.“ „Ich kann das schlecht einschätzen weil ich persönlich das Problem nicht hatte, aber ich glaube es muss auch mehr kulturelle Erziehung von zu Hause aus kommen. Wir sind früher als Kinder viel mit meinen Großeltern in Museen gegangen. Durch meinen Opa der gemalt hat und meine Oma als kreative Mode-Liebhaberin, gab es auch noch diese Verbindung zu Kunst. Wir waren viel im Theater, gehen regelmäßig ins Ballett. Wenn man das von zu Hause aus nicht vermittelt bekommt, dieses kulturelle Verständnis und Erlebnis, dann ist es glaube ich im Alter ganz schwer dafür sensibilisiert zu sein und den Preis und das Angebot wertschätzen zu können.“ #attentionpleasestories Dieses schöne Gespräch entstand wirklich ganz spontan auf Deborahs sonnigem Balkon, in einem von Mannheims Hinterhöfen. Für deine Spontanität, das zweite Interview auf diesem Blog zu sein, danke ich dir!
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